The International Ez Zantur Project

Preliminary Report on the 2002 restoration season at ez Zantur

by Bernhard Kolb and Ueli Bellwald

II. Ez Zantur IV: Architektur und Innenausstattung der Villa

Die ersten beiden Wochen des Petra-Aufenthalts standen im Zeichen „kosmetischer“ Abschlussarbeiten, die noch direkt mit der vorjährigen Grabungstätigkeit in Verbindung standen. So galt es mit einem Team lokaler Arbeiter den verbleibenden Schutt aus der Zisterne unter Raum 22 abzuführen, den in den letzten Tagen der Kampagne 2001 entdeckten felsgehauenen Raum an der Westflanke der Terrasse (PQ 93/AQ–AR) zu reinigen und die Pläne um die offen gelegten Strukturen zu ergänzen. Als Vorbereitung für die in Aussicht gestellten Luftaufnahmen stand schliesslich die Reinigung der Grabungsplätze EZ l, EZ III und EZ IV an. Am 1. September kamen wir dank der freundlichen Unterstützung durch die jordanische Luftwaffe in den Genuss eines einstündigen unentgeltlichen Helikopterflugs über das Stadtgelände von Petra (vgl. Abb. 1–2). Im Anschluss an die Fotodokumentation aus der Luft setzten die Arbeiten an der definitiven Überdachung der Räume 1–3 ein (vgl. Beitrag Bellwald). Auf dem Grabungsplatz und im Lapidarium arbeitete in den folgenden Wochen die Architektin Anne-Cathrine Escher an der Aufnahme der wichtigsten Architekturfragmente, die im Rahmen der Baudokumentation und der zeichnerischen Rekonstruktion des Baus gebraucht werden. Parallel dazu lief im Grabungsmagazin die Erfassung aller Kleinfragmente aus dem Architekturzusammenhang. 630 Fragmente – in erster Linie Kapitellbruchstücke – wurden in einer Datenbank erfasst und digital fotografiert.

1. Steinqualitäten der Bodenbeläge

Die Räume 1,10 und 17 der Villa waren mit kostbaren Bodenbelägen ausgestattet, die aus lokalen, regionalen und importierten Steinqualitäten zusammengesetzt waren. Über ein Dutzend verschiedenfarbiger Steinsorten fanden – zu einfachen geometrischen Formen wie Dreieck, Quadrat oder Rechteck gesägt – Verwendung in den drei sog. Opus-sectile-Böden. Die Herkunftsbestimmung der zahlreichen Steinsorten ist nicht nur im direkten Architekturzusammenhang von Interesse, sondern birgt auch wirtschaftsgeschichtliches Informationspotenzial, zumal sie Rückschlüsse auf regionale und internationale Handelsbeziehungen der Peträer im 1. Jh. n. Chr. ermöglicht. Erfreulich ist aus genanntem Grund, dass wir mit Dr. Abu Jabar von der Jordan University in Amman einen Geologen haben gewinnen können, der 2003 einen seiner Studenten mit der Bestimmung der Steinqualitäten von EZ IV als B. A.-Abschlussarbeit betrauen wird. Eine internationale Zusammenarbeit ist in diesem Fall besonders viel versprechend, weil damit das Problem der fehlenden Referenzsammlung in der Schweiz umgangen werden kann.

2. Mörtel, Stuck und Pigmente

Die seit langem bekannten Reste von bemalter Stuckdekoration an den Bauten und den felsgehauenen Grabfassaden Petras sind zwar unspektakuläre, aber deutliche Hinweise darauf, dass das Erscheinungsbild der antiken Stadt geprägt war von einer „künstlichen“ Farbigkeit, die der „natürlichen“ Buntheit der lokal anstehenden Sandsteinformationen entgegengesetzt worden war Der Deutsche Heinrich Kohl beschäftigte sich bereits im frühen 20. Jahrhundert mit der Stuckdekoration des Tempels Qasr el-Bint. Siehe dazu Kohl, H., Kasr Firaun in Petra. Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gellschaft Bd. 13 (1910). . Bis heute fehlen jedoch fundierte Untersuchungen der Mörtel und Pigmente in Petra. Das reiche dekorative Material von EZ IV bietet uns nun die Gelegenheit, eine Sammlung an Grundlagendaten aufzubauen und zu publizieren. Im Rahmen der Aufarbeitungskampagne unternahmen wir erste Schritte in diese Richtung. Unter der Aufsicht von Prof. Willem Stern (Mineralogisch-Petrographisches Institut der Universität Basel) wurden die Probenentnahmen von Frau Lic. phil. Yvonne Gerber und der Restauratorin Christine Pugin vorgenommen. Die Resultate der Analysen werden im Frühjahr 2003 vorliegen. Parallel zur Pigmentuntersuchung lief im vergangenen Jahr die Untersuchung der Mörtel- und Stuckqualitäten an. Die angehende Restauratorin Brigitta Hofer von der TU München konnte im Frühjahr 2002 für diese Aufgabe gewonnen werden. Sie konzentrierte sich im Laufe ihres zehnwöchigen Aufenthalts in Petra auf das Material aus Raum 17 und verfasst auf der Basis der zusammengetragenen Daten seit Dezember ihre Abschlussarbeit, die in gekürzter Form in die Grabungspublikation einfliessen wird.

3. Zur Wanddekoration von Raum 1

Im Rahmen des 2002 lancierten, von der SLSA und der DEZA finanzierten Schutzbauprojekts, das der Überdachung der Raumgruppe 1–3 gilt (vgl. Beitrag Bellwald), stand die Untersuchung der zugehörigen Malerei- und Stuckfragmente im Vordergrund, die der Bauphase 2 (frühes 2. Jh. n. Chr.) angehören. Das zeitintensive Studium der erhaltenen Fragmente brachte erstaunlich positive Resultate, wobei anzumerken ist, dass die zeichnerischen Rekonstruktionen (Abb. 5 und 7) als Vorschläge zu verstehen sind, die in den kommenden Monaten wahrscheinlich noch die eine oder andere Retouche erfahren werden. Als gesichert darf gelten, dass die Dekoration der Wände in drei raumumgreifende Zonen gegliedert war: Der unterste Wandbereich von ca. 160 cm Höhe wurde von den zum Teil noch an den Wänden erhaltenen Architekturmalereien eingenommen (Abb. 6 und 8). Die Wände A und G zeigten je eine dreiteilige Fassadenarchitektur, die Wände C und F je zwei Architekturen Die erhaltenen Elemente der Wandgestaltung in Raum 1 machen klar, dass die Dekorationen streng achsialsymmetrisch aufgebaut waren. Aus diesem Grund konnte auf der Rekonstruktionszeichnung (Abb. 5) die erhaltene Malerei an der südlichen Wand C ohne grosse Bedenken auf den nördlichen Wandabschnitt übertragen werden, um so eine bessere Vorstellung des ursprünglichen Dekors zu vermitteln. Nicht auszuschliessen ist eine dritte, auf halber Wandlänge C zu rekonstruierende Architekturmalerei. . Die gesamthaft sechs Architekturmalereien waren in ein ebenfalls gemaltes Rahmenwerk gesetzt, das aus Pilasterstützen und aus einem aufliegenden, umlaufenden Gebälk bestand. Diese übergeordnete Architektur begrenzte die einzelnen Bildfelder, verband sie aber auch zu einer parataktischen, fortlaufenden Dekoration. Das übergeordnete System aus tragenden und lastenden Architekturteilen der unteren Wandzone war in der mittleren Wandzone von ca. 115 cm Gesamthöhe das Hauptthema (Abb. 4–5). Über stuckierten Kassettenfeldern von ca. 36 cm Höhe und unterschiedlichen Breiten lief ein vorkragender Sims mit Viertelstab, auf welchem die stuckierten Wandpfeilerchen von 24 cm Breite und 63 cm lichter Höhe standen Abb. 5 vereinigt alle erhaltenen Kassettierungs- und Pilasterfragmente, die nicht mehr in situ sind. Für die fotografische Aufnahme wurden die Abstände zwischen den Stützen reduziert und vereinheitlicht. . Während die attischen Stuckbasen der Stützen massstabreduzierte Wiederholungen von steingehauenen Basen zeigten, fiel die Interpretation der Bekrönungen etwas freier aus: Eine 8 cm hohe Profilleiste war zu gleichen Teilen kapitellartiger Abschluss der Pilaster als auch Epistyl. Schmale und flache Lisenen, deren Lage an der Wand sich nur mehr an den Abdrücken im Grundputz erkennen lassen, gliederten die Zone zusätzlich. Auch wenn uns Hinweise auf die farbliche Gestaltung der Lisenen und der seitlich anschliessenden Wandabschnitte weitestgehend fehlen, scheint das Zusammenspiel von vorkröpfenden Pilastern, flachen Lisenen und den zurückliegenden Wandflächen für eine urspünglich vorhandene räumliche Tiefenstaffelung der mittleren Wandzone zu sprechen.

Fig. 4: Raum 1 – Gesamtbestand an Fragmenten der mittleren Wandzone (Foto und Nachbearbeitung: O. Jaeggi)
Fig. 4: Raum 1 – Gesamtbestand an Fragmenten der mittleren Wandzone (Foto und Nachbearbeitung: O. Jaeggi)

Abb. 4 führt vor Augen, wie streng achsialsymmetrisch die Bezüge zwischen der unteren und der mittleren Wandzone waren, die auch als Ausdruck eines architektonischen Dekorationskonzepts mit ausgeprägten „statischen“ Vertikalbezügen zu verstehen sind. Die schlanken gemalten Pilaster der unteren Wandzone werden in der mittleren Wandzone als stuckierte Zwergpilaster fortgeführt. Zwischen den beiden die Wandfläche begrenzenden halben Pilastern lassen sich zwei voll ausgebildete Stuckstützen rekonstruieren, welche den mittleren Wandstreifen in drei Hauptabschnitte gliederten. Die Wände A und G zeigten je einen Eckpilaster und – den jeweiligen Türöffnungen zugewandt – wahrscheinlich einen ganzen Pilaster (Abb. 7). Es sei hier kurz angemerkt, dass der besprochene zweistöckige Architekturaufbau der beiden unteren Wandzonen stark an die entsprechenden Zonen der monumentalen sog. Palastgrabfassade in Petra erinnern. Da finden wir in den hoch gelegenen Zwergordnungen auch Parallelen zur gestauchten Kapitell-Gebälk-Lösung in der mittleren Wandzone von Raum 1 McKenzie, J, The Architecture of Petra (1990), Taf. 145–146. .

Fig. 5: Raum 1 – Teilrekonstruktion der Westwand A (Zeichnung B. Kolb)
Fig. 5: Raum 1 – Teilrekonstruktion der Westwand A (Zeichnung B. Kolb)

Die Bemalung der Pilasterflächen steht wie schon die Binnengestaltung der Architekturmalerei unter dem Thema opus sectile bzw. Inkrustation. Kleinteilige geometrische Muster, die stark auf Hell-Dunkel-Effekte hin angelegt sind, bestimmen das Erscheinungsbild (Abb. 4–7). Unklar ist die farbliche Gestaltung der Zonen zwischen den Pilastern. Reste von Eisen- und Bronzestiften im zurückkröpfenden südlichen Wandfeld zwischen den beiden Lisenen (Abb. 5) deuten darauf hin, dass zumindest dieser Bereich mit einer vorgefertigten, tafelartigen Dekoration versehen war.

Eine relativ kleine Gruppe bemalter Fragmente darf der abschliessenden Oberzone zugewiesen werden. Eine aus vergleichsweise grossformatigen geometrischen Motiven wie Rauten, Dreiecken und Quadraten aufgebaute Dekoration in den Farben Grün, Blau, Schwarz und roter Marmorimitation auf weissem Grund scheint die Zone eingenommen zu haben. Der Eindruck einer grossplattigen Verkleidung aus kostspieligem Steinmaterial war offenbar intendiert. Die Vorspiegelung von Inkrustation, die bereits in der Dekoration der Zonen 1 und 2 eine wichtige Rolle spielte, dominierte den oberen Wandabschnitt, d. h. die Zone 3. Ein Kranzgesims schloss die Wand zum Gewölbeansatz hin ab.

Fig. 6: Raum 1 – Anhand der erhaltenen Fragmente rekonstruierter Lunettenaufbau (Foto und Nachbearbeitung O. Jaeggi)
Fig. 6: Raum 1 – Anhand der erhaltenen Fragmente rekonstruierter Lunettenaufbau (Foto und Nachbearbeitung O. Jaeggi)

Die Wölbung der Decke war auf einen „armierenden“ Grund aus verschnürten Schilfbündeln und Schilfmatten aufgezogen, der an der Decke des eigentlichen Baukörpers befestigt war – heute würde man von einer heruntergehängten Deckenkonstruktion sprechen. Die beiden gegenüberliegenden, halbkreisförmigen Lunetten der Schmalwände waren mit demselben Kranzgesims abgeschlossen wie die Wände (Abb. 6–7). Zwei doppelseitige Profilleisten mit Blattvergoldung gliederten die Lunettenfelder in drei Zonen. Die spärlichen erhaltenen Fragmente, die der obersten Lunettenzone zuzuweisen sind, zeigten farblich und motivisch vergleichbar mit der obersten Wandzone eine gemalte Inkrustation, die von einem Doppelband in Grün und Weiss nach unten abgeschlossen wurde. Die Zonen zwischen den gebogen gezogenen Doppelprofilleisten und auch der abschliessende Halbkreis scheinen mit einem hellen Rosa bemalt gewesen zu sein. Mit dem raumumgreifenden Kranzgesims dürfte der Lunettendekor zur Wandfläche hin begrenzt gewesen sein (Abb. 7).

Fig. 7: Raum 1 – Teilrekonstruktion der Südwand C mit der Türe zu Raum 3 (Zeichnung B. Kolb)
Fig. 7: Raum 1 – Teilrekonstruktion der Südwand C mit der Türe zu Raum 3 (Zeichnung B. Kolb)

Sowohl die gemalte als auch stuckierte Architektur der Wände von Raum 1 war geprägt von der in allen drei Zonen vertretenen Imitation von Einlegearbeit aus wertvollem Steinmaterial. Der „thematische“ Ausgangspunkt im Raumzusammenhang war der Bodenbelag. Obgleich ausgeplündert, ist dank einiger weniger Plattenfragmente (Alabaster u. a.), in erster Linie aber aufgrund der erhaltenen Stege im Mörtelbett, ein Opus-sectile-Belag gesichert. In diesem Sinne darf von einem streng architektonischen Dekorationskonzept gesprochen werden, das weit über das hinausgeht, was wir von den tapetenartigen Dekorationen des 4. pompejischen Stils im römischen Italien kennen Vgl. z. B. Oecus 9 in der Villa der Ariadne in Stabiae, in: Barbet, A., La peinture murale romaine. Les styles decoratifs pompeiens (1985) 203, Abb. 144. und das kaum Anknüpfungspunkte in der trajanisch-hadrianischen Wandmalerei findet Siehe dazu Mielsch, H., Römische Wandmalerei (2001) 94–100. . Die Dekorationen in Raum 1 entziehen sich einer „eindimensionalen“ Herleitung – sei es von der ptolemäischen, römischen oder parthischen Tradition, weil charakteristische Elemente aus allen drei Kulturkreisen einflossen und zu einer neuen, d. h. nabatäischen Spielweise verbunden wurden: So steht die Reihung gleicher oder ähnlicher Architekturen in einem übergeordneten Architekturrahmen, wie wir sie aus der Zone 1 in Raum 1 kennen, in der Tradition ptolemäischer Wandmalereien des 3. bis frühen 1. Jhs. v. Chr. McKenzie, J, The Architecture of Petra (1990), Taf. 175a–c, 197. , während die verschiedenen, illusionistisch erfassten Architekturen stilistisch an römische Wände frühaugusteischer Zeit anzuschliessen scheinen Carettoni, G., Das Haus des Augustus auf dem Palatino 983) 23ff. Taf. E. ; die dominierenden gemalten Steineinlegearbeiten schliesslich dürften von parthischen Fassadenstuckaturen inspiriert sein Hopkins, C. (Hrsg.), Topography and Architecture of Seleucia on the Tigris (1972) 138–139 mit Abb. 61–64. Goldman, B., The Allover Pattern in Mesopotamian Stuccowork, Berytus Fasc. 1, 1950–1951, 13–20; vgl. auch die Dekorationsreste im Palast von Kuh l-Chodscha (Sistan) in: Ghirshman, R., Universum der Kunst. Iran. Parther und Sassaniden (1962) 40, Abb. 54. . Ein verblüffender und im Moment noch unerklärter Aspekt der groben Herleitungsskizze ist das offenbar fehlende zeitgenössische Moment in den Malereien von Raum 1: alle genannten Vorbilder reichen chronologisch weit hinter die Entstehungszeit der Wandmalereien von EZ IV zurück, und es stellt sich die Frage, ob diese Beobachtung nicht auch Reflex unserer fehlenden Kenntnisse über die ägyptische Wandmalerei des 1. Jhs. v. bis 1. Jhs. n. Chr. ist.

Mit seiner vergleichsweise bescheidenen Grosse von 5x4 m gehörte Raum 1 in der Raumhierarchie sicherlich nicht zu den repräsentativen Brennpunkten des Hauses. Die im Grundriss zentrale, aber von den primären Achsen der Zirkulation abgerückte Lage einerseits und die reiche Ausstattung anderseits weisen darauf hin, dass wir es wahrscheinlich mit einem Raum zu tun haben, der vom Hausherrn für den Empfang, für die Bewirtung einer kleinen, ausgesuchten Gästeschar vorgesehen war.